Artikeldatum: 12.08.2011

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12.08.2011 - Gilde - „Herr Königin“ bleibt ein Tabu (SZ)

OER-ERKENSCHWICK. Der Fall eines schwulen Schützenkönigs aus Münster, der seinen langjährigen Lebensgefährten mit Zustimmung seiner Heimatgilde zum Mitregenten gemacht hat, sorgt derzeit bundesweit für Aufsehen. Da liegt die Frage nahe, ob zwei homosexuelle Männer an der Spitze des Oerer, Erkenschwicker oder Rapener Schützenstaates denkbar wären? „Bei uns eher nicht“, sagen die drei Gildenchefs. Noch nicht…

Die Tatsache, dass ein schwuler Getränkehändler aus Münster seinen Lebensgefährten nicht nur zur „Königin“ gemacht hat, sondern mit ihm bei Ausmärschen gemeinsam in der ersten Reihe laufen wollte, hat die katholische Kirche auf den Plan gerufen. Die übt heftige Kritik, der sich die Gilde aus dem Münsterland aber bislang nicht gebeugt hat. Jetzt folgt das nächste Problem. Der Schützenkönig aus dem Münsterland hat sich für das Bundeskönigsschießen qualifiziert. Von diesem Wettbewerb wird er nun womöglich ausgeschlossen, weil er zuvor auf einem Fragenbogen unterschrieben hatte, dass er sich den christlichen Werten verpflichtet fühlt und nach dem Motto ’Für, Glaube, Sitte und Heimat‘ lebt. Ein Sprecher des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) betonte, dass offen gelebte Homosexualität in den Augen vieler Schützen ein Verstoß gegen die katholischen Wertevorstellungen sei.

Die Bürgerschützengilde Oer gehört keinem übergeordneten Dachverband an. „Wir sind also in allen Entscheidungen völlig frei“, betont Gildenvorsitzender Werner Schmülling (61). Was ein schwules Paar als Regenten des Oerer Schützenstaates betrifft, da verweist Werner Schmülling auf die Satzung der Bürgerschützengilde: „Darin sind die Begriffe Königin und Prinzgemahlin festgeschrieben. Und zwar in Betonung der weiblichen Form. Das bedeutet für uns, dass an der Seite des Schützenkönigs oder des Prinzgemahls jeweils nur eine Frau stehen kann.“ Schmülling räumt ein, dass man sich über dieses Thema in Oer bislang noch überhaupt keine Gedanken gemacht hat. „Aber das kann ja noch kommen. Zum Beispiel dann, wenn jemand während unserer Generalversammlung einen Antrag auf Satzungsänderung einbringen würde, wonach homosexuelle Paare als Regenten zugelassen werden sollen. Darüber müsste dann die Mitgliedschaft entscheiden.“

Ähnlich sieht das Rapens Gildenvorsitzender Klaus Homberg (48): „Unsere Satzung sieht einen Mann als Partner eines Schützenkönigs nicht vor. Wenn also theoretisch ein homosexuelles Mitglied unserer Gilde mir im Vorfeld des Vogelschießens seine Anwartschaft meldet und mir dabei mitteilt, dass er seinen Lebensgefährten zum Mitregenten machen möchte, dann müsste ich das mit Verweis auf die Satzung ablehnen“, betont Homberg. Aber auch der Rapener Schützenchef betont die Möglichkeit einer Satzungsänderung während einer Jahreshauptversammlung. „Ob sich dafür aber eine Mehrheit finden würde, ist fraglich.“

Nicht so festgelegt ist man dagegen bei der Schützengilde Erkenschwick. „Unsere Satzung trifft keine eindeutigen Aussagen über die Geschlechter unserer Regenten“, erklärt Gildenvorsitzender Uli Filoda (41). „Wenn sich also im Vorfeld eines Vogelschießens ein schwuler Königsanwärter mit der Absicht, im Falle des Königsschusses seinen Lebensgefährten zum Mitregenten machen zu wollen, an mich wendet, dann müsste sich der Vorstand damit befassen. Denn zwei homosexuelle Männer an der Spitze des Erkenschwicker Schützenstaates, das wäre schon eine erhebliche Abkehr von den bisherigen Gepflogenheiten“, betont Filoda. „Eine solche Entscheidung würde ich deshalb niemals als Gildenchef alleine fällen.“ Aus seiner ganz persönlichen Meinung macht Uli Filoda aber keinen Hehl: „Die Gesellschaft hat sich geändert. Es gibt offen gelebte homosexuelle Beziehungen. Und deshalb sollte man mit der Zeit gehen und für sie im Schützenwesen eine Lösung finden.“

Die Erkenschwicker Gilde ist übrigens die einzige, bei der sich auch Frauen aktiv am Königsschießen beteiligen dürfen. Die Folge: Seit dem vergangenen Fest hat der Schützenverein mit Renate I. (Just) eine Schützenkönigin. Sie hatte damals ihren Gatten zum Mitregenten gemacht…